Viele Menschen, die sich nicht mit der Börse und Wertpapieren befassen, tun dies aus gewissen Ressentiments. Falls du – genau wie ich – Französisch in der Schule erfolgreich abgewählt hast: Ressentiment bedeutet “heimlicher Groll”. Hat jemand also Ressentiments gegenüber einer Sache oder einer Person, so verspürt er eine unterschwellige, manchmal auch unbewusste Abneigung. In der Psychologie beschreibt das Ressentiment sogar das Gefühl von dauernder Ohnmacht gegenüber persönlicher Ungerechtigkeit. wichtigste Eigenschaft
Zack – Bildungsauftrag erfüllt. Minimalziel erreicht! 🙂
Was aber steckt hinter diesen Ressentiments? Warum verspüren viele Menschen diese Abneigung gegenüber Aktien, Anleihen & Co.?
Weil viele – und vor allem Deutsche – eben ein bestimmtes Bild vor Augen haben, wenn sie an “Börse” denken. Hochbezahlte Anzugträger sitzen vor acht Bildschirmen und transferieren innerhalb von Sekunden Millionenbeträge von A nach B.
Hinzu kommen leidvolle Erfahrungen mit der “Volksaktie” Telekom oder dem Platzen der Dotcom-Blase. Ergänzt durch zahlreiche Krisen: Asienkrise (1997 & 1998), Russlandkrise (1998 & 1999), Brasilienkrise (1999), Argentinien-Krise (2000) oder Finanzkrise (ab 2007). Fortsetzung aktuell leider in der Ukraine-Russland-Krise.
Zudem halten Großaktionäre und professionelle Börsenhändler einige Trümpfe in der Hand. wichtigste Eigenschaft
Die Trümpfe der Börsenprofis
Trumpf 1 – Informationsvorsprung
Vor allem bei besonders guten oder besonders schlechten Unternehmensmeldungen, sind Börsenprofis schneller informiert. Nur sehr wenige private Anleger haben die Zeit, sich rund um die Uhr mit Unternehmensnachrichten oder -analysen zu beschäftigen. Und selbst dann, sind sie in der Regel einen Schritt zu spät.
Trumpf 2 – Technischer Vorsprung
Heutzutage kann jeder schnell und unkompliziert online auf sein Depot zugreifen. Im Rahmen der Handelszeiten, sind Transaktionen jederzeit möglich. Chancengleichheit besteht damit noch lange nicht. Auf der Datenautobahn bleibt privaten Anlegern nur die rechte Spur. Überholen verboten.
Trumpf 3 – Finanzielle Möglichkeiten
Investmentgesellschaften verwalten Milliardenbeträge. Auch wenn der prozentuale Cash-Anteil vielleicht nicht größer ist als beim Privatanleger, so haben Vermögensverwalter deutlich mehr Flexibilität. Transaktionskosten spielen praktisch keine Rolle. Der Privatanleger hat sein Vermögen möglicherweise auf Einzelaktien gestreut. Mit jeder einzelnen Position steigt der Grad der Diversifikation. Aber auch der Anteil der Transaktionskosten.
Spielt der Privatanleger also einen Grand Ouvert ohne Buben?
Welche Trümpfe kann der private Anleger ausspielen? Sven Vogel von Motley Fool hat 6 Eigenschaften erfolgreicher Investoren aufgelistet, auf die ich hier eingehen möchte:
1. Mut wichtigste Eigenschaft
Klar – Mut ist der Grundstein, um überhaupt sein Geld in Wertpapiere zu investieren. Wer keinen Mut hat, hat ein Sparbuch. Und verliert Geld – Jahr für Jahr – garantiert. Grüße an Olaf!
2. Neugierde
Wer in Einzelwerte investieren möchte, sollte sich mit den Unternehmen auseinandersetzen. Er/Sie sollte verstehen, welche Produkte und Marken hinter einem Unternehmen stehen. Ob das den Anlageerfolg steigert, darf bezweifelt werden. Einfacher geht es mit Indexfonds – frag mal Jürgen Nawatzki.
3. Ausdauer
Einverstanden! Die Börse steigt und fällt. Wer kurzfristig dabei ist, kann hohe Renditen erzielen. Wer lange dabei bleibt, wird es- frag mal Tim Schäfer.
4. Lernbereitschaft
Hier gilt das gleiche wie beim Punkt “Neugierde”. Wer passiv anlegt, muss nicht zwangsläufig viel dazu lernen. Zwei oder drei Indexfonds reichen, um den Großteil der Weltwirtschaft abzudecken.
5. Gelassenheit
Zählt teilweise zum Punkt Ausdauer. Aber dann wäre Hr. Vogel nicht auf sechs Kriterien gekommen… Gelassenheit bringt es aber besser auf den Punkt. Lass dich nicht von fallenden oder steigenden Kursen beeinflussen. Verkaufe nicht panisch oder gierig. Keep calm – frag mal Holger Grethe.
6. Glück wichtigste Eigenschaft
Interessante Eigenschaft… Glück zählt für mich nicht. Wenn dein Depot ordentlich diversifiziert ist, werden einige Nieten und einige Raketen dabei sein. Sollte deine Rendite 20% p.a. betragen, hattest du wirklich nur Glück. Aber das ist keine gute Eigenschaft.
Aus meiner Sicht bleibt für Kleinanleger ein echter Trumpf übrig.
Ein Trumpf, mit dem der Privatanleger immer gewinnen wird und den professionelle Anleger so fürchten wie englische Fußballer das Elfmeterschießen.
Geduld
Michael Kissig hat es in seinem Blog auf den Punkt gebracht. Die großen Kurssprünge finden in recht kurzen Zeitfenstern statt. Ansonsten dümpeln die Werte vor sich hin. Mal hoch, mal runter. Das sind die Zeiten, in denen die Händler den Zockern das Geld aus der Hose ziehen. Am Ende gewinnt ja meistens die Bank.
“Geduld ist die oberste Tugend des Investors”
(Benjamin Graham)
Wer aber langfristig anlegt, profitiert vom langfristigen Wirtschaftswachstum. Ja nach Region oder Branche, kann es zwar auch mal Jahre oder gar Jahrzehnte dauern, bis Krisen überwunden sind. Mit breit aufgestellten Indexfonds (MSCI World, MSCI Emerging Markets etc.), können Kursverluste häufig schneller aufgeholt werden. Trotzdem ist Geduld gefragt.
Bin ich jetzt ein guter Investor?
Trifft diese Eigenschaft auf mich persönlich zu? Habe ich Geduld?
Mein Lieblings-Klobuch ist Kinder sind was Wunderbares: Das muss man sich nur Immer Wieder sagen* von Johann König. Es enthält viele kurze und unterhaltsame Anekdoten. Für die kurze Pause zwischendurch. Johann König ist Komiker, Autor und dreifacher Vater aus Nordrhein-Westfalen.
Neulich habe ich in dem Buch folgenden Text gelesen, der mich an mich selbst erinnert hat.
“Liege mit vollem Magen in einem stockdunklen Raum, auf mir liegt ein warmer, weicher, alles in allem sehr anschmiegsamer, leicht schnaufender, nein, mittlerweile ganz ordentlich röchelnder, fünf Kilogramm schwerer Sack. Ich hätte ihn mal besser noch nasal abgesaugt, mit diesem kleinen Vakuum-Nasensauger, der aussieht, als könne man auch Sahne in ihn hineinfüllen und dann kleine Törtchen verzieren. Vergessen hab ich es, wie auch die Schaumstoff-Lärmschutz-Pfropfen, ohne die ich schon lange nicht mehr schlafen kann. […] Habe tatsächlich freiwillig die Mittagsschlaf-Karte gezogen. Beziehungsweise die “Die Kleine mit allen Mitteln zum freiwilligen Mittagsschlaf zwingen”-Karte. […] Das Gewicht des Sacks und die Verdauung des Hackfleischgerichtes scheinen von Minute zu Minute schwerer zu werden. Sie scheinen sich sogar gegenseitig zu erschweren. Wenn ich den Sack zur Seite ablege, verwandelt er sich in einen schreienden Zombie, das weiß ich aus eigener Erfahrung.”
Ich kenne diese Situationen sehr gut. Kinder zum Schlafen zu bringen und dabei zu halten ist echt eine Herausforderung. Nie zuvor habe ich in meinem Leben derartig viel Geduld aufbringen müssen. Ich glaube, dass Eltern durch ihre Kinder geduldiger werden. Sie haben ja auch keine andere Wahl.
Wer diese Geduld auf sein Anlageverhalten übertragen kann, wird auch ein erfolgreicher Investor.
Davon bin ich überzeugt. wichtigste Eigenschaft
Hallo Felix,
ich glaube inzwischen, man muss beim Investieren zwei vollkommen unterschiedliche Welten auseinander halten. Das eine ist die Welt der Börse und das andere die der Aktien/Unternehmensbeteiligungen.
Wie du schon in der Einleitung schreibst ist für die meisten Außenstehenden beides das gleiche. Und viele Neulinge sehen vielleicht den Unterschied, glauben aber Börse ist einfach nur die schnelle Variante von Aktie um zu Vermögen zu kommen.
Auch ich habe für mich Aktien und Börse gleichgesetzt (allerdings mit der “positiven” Aktienwelt).
Wesentlich zu dieser Erkenntnis beigetragen hat ein Bekannter, der früher hauptberuflich getradet hat und nun eine andere Investmentecke für sich gefunden hat. Immer wenn er vom Investieren in Aktien spricht sind die Botschaften in etwa: Zockerei, sinnentleerte Geldverschiebung, Umverteilung von Privatanlegern hin zu den Profis, Bereicherung von Institutionen (Banken/Broker) an den naiven/blinden Privatanlegern. Und ein wenig ETF gebashe ist natürlich auch vertreten.
Lange Zeit war ich ratlos, weil die Börse die er beschreibt so gar nicht zu dem passt, was ich erlebe. Und ich war teilweise sauer wenn er spöttisch herablassend über die Börse gesprochen hat. Bis mir dann klar wurde, dass wir zwar in die gleichen Instrumente investieren (ich heute, er damals), aber uns trotzdem in anderen Welten bewegen.
Für die Welt der Börse gelten alle Punkte die du genannt hast. Hier kann sich kein Privatanleger auf Dauer behaupten. In der Welt der Unternehmensbeteiligunen muss sich hingegen niemand behaupten. Da Coexistieren alle Beteiligten friedlich und erfreuen sich an den Gewinnen, die die Unternehmen – deren Anteilseigner sie sind – mit ihnen teilen. Hier wird stetig ein langfristiges Vermögen gebildet.
Und das ist der eine große Trumpf den wir Privatanleger haben. Wir müssen keine Geschäftszahlen vorlegen. Wir müssen uns nicht für unsere Entscheidung vor anderen rechtfertigen. Wir müssen keine Angst haben, dass man uns die Mitel entzieht, wenn wir nicht gewissen Periodenergebnisse vorweisen können (Ok, nur wenn der Ehepartner mit im Boot ist).
Hi Timo,
aber eine gewisse Kontrollinstanz (Ehepartner) ist ja auch nicht schlecht 😉 Vor allem für diejenigen, die sich gerne ihre Zahlen schön rechnen. Ich kenne das von mir selbst früher. Da wird die Cash-Quote rausgerechnet oder Verluste werden “abgeschrieben”. Letztendlich bin ich in den mittleren 10er-Jahren (2015-2018) mit Gewinnen rausgekommen. Aber mit einer passiven Strategie hätte ich eine deutlich höhere Rendite gemacht. Hätte, hätte, ….
VG Felix