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Du möchtest ein besserer Mensch werden? Du bist schon gut genug!

Viele Menschen verbringen viel Zeit damit, sich in allen möglichen Bereichen zu verbessern und „für die Zukunft fit zu machen“. Sie wollen ein besserer Mensch werden und betreiben dafür SUP-Yoga, trinken Detox-Smoothies und essen Buddha Bowls. Und einige – vor allem in der Finanzcommunity – sparen einen Großteil ihres Einkommens.

Könnte ich auch, glaube ich. Aber dann merke ich, dass das Leben mit drei kleinen Kindern oftmals schon genug Herausforderungen mit sich bringt. Dank Corona-Homeoffice spare ich mir zwar täglich den Arbeitsweg von 1,5 Stunden und bin flexibel. Zuhause kann ich für Aufgaben einspringen, die tagtäglich in der Kinderbetreuung anfallen. Allerdings muss ich in der Regel abends nochmal für ein paar Stunden an den Laptop.

Sobald dann irgendwann Feierabend ist, übt die Couch eine SEHR starke Anziehungskraft auf mich aus. Ich fläze mich also auf den Diwan und schaue noch ein bisschen YouTube oder Fußball. Danach wird frühzeitig die Bettkarte gestempelt. Während der neuen Folge von Wohlstand für Alle oder des Europa-League-Qualifikations-Spiels zwischen Qairat Almaty (Kasachstan) und Alashkert Erewan (Armenien), kommen dann aber doch die Schuldgefühle. Sollte ich nicht besser ein Buch lesen, mich irgendwie weiterbilden oder Sport treiben? Irgendwas „Produktives“ machen?

Fantastic-Future-Felix

Bei diesen Überlegungen ist mir aufgefallen, dass es bei meinen Wünschen nur teilweise um das Lernen und den Spaß an sich geht. Es geht auch darum, eine bessere Version von mir selbst zu erschaffen. Sozusagen einen „Fantastic-Future-Felix“.
Der Fantastic-Future-Felix (Namensrechte sind schon angemeldet) wird dann sehr sportlich sein. Rhetorisch auf Zack und sehr belesen. Durch eine hohe Sparquote wird er finanziell unabhängig sein und seinen „Nine-to-Five-Job“ gegen coole Side-Hustles eingetauscht haben. Er wird sich nicht mehr schuldig fühlen, weil er seine Lebenszeit sinnlos verplempert hat.

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Cut! ein besserer Mensch werden

Würde der Fantastic-Future-Felix wirklich glücklicher sein als seine aktuelle Version? Was würde es ihm bringen, noch mehr Wissen anzuhäufen? Oder eine Selbstständigkeit aufzubauen?

„IMI“ – Irgendwas mit Internet

In meinem Bekannten- und Freundeskreis hinterfragen derzeit einige ihren Beruf und ihre aktuelle Anstellung. Sie wollen den „nächsten Schritt“ machen oder suchen eine neue Herausforderung in der Selbständigkeit. Am besten irgendwas mit Internet und Nomadenleben. Dagegen ist grundsätzlich auch nichts einzuwenden. Allerdings wiegen sie häufig (und lange) verschiedenste Optionen ab, ohne letztendlich konkret zu werden. Am Ende steht eine gewisse und vage Unzufriedenheit mit dem aktuellen Job, aber keine echte Alternative.

Mir geht es auch nicht anders. Das Gefühl, sich beruflich nicht weiterzuentwickeln oder teilweise uneffektive Aufgaben zu erledigen, kann ziemlich zermürbend sein. Auch ich habe mich deshalb gefragt, ob ich mir einen neuen Job suchen sollte.
Ich werde gut bezahlt, von meinen Kollegen geschätzt und bin in meinem Themenfeld kompetent. Meine Position ist nicht perfekt, aber ich mag vieles von dem, was ich tue. Und während ich einiges an unternehmerischem Bullshit ertrage, arbeite ich an spannenden Projekten.

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Okay, mein Job ist nicht gerade der Gipfel der Erfüllung. Als IT-Berater rette ich keine Menschenleben, bekämpfe keine Viren (außer vielleicht die am Rechner) und werden körperlich nicht gefordert. Kurz gesagt: Er zaubert mir kein Lächeln ins Gesicht – weder beim Einschlafen, noch beim Aufstehen. Aber trotzdem ist es ein sehr guter Job.

Mehr, mehr, mehr! ein besserer Mensch werden

Ich suche gerne nach neuen Herausforderungen – privat und auch beruflich. Aber warum sollte ich mich nicht mit dem zufriedengeben, was ich in der Zwischenzeit habe? Nicht denken: „Wenn ich das schaffe, dann wird es endlich gut.“ Die meisten von uns denken leider so – bewusst oder unbewusst. Wir bauen ein Haus, um uns wie Erwachsene zu fühlen. Wir kaufen das neue Peloton-Bike, um unsere Freunde zu beeindrucken. Wir posten gephotoshopte Urlaubsbilder auf Instagram, um zu zeigen, wie glücklich wir sind.

Und wir wollen immer mehr. In allen Bereichen. Gehalt, Joblevel, Freunde, Vermögen.

Wenn wir unsere Ziele erreichen und übertreffen – Dinge, von denen wir nie geträumt hätten, dass wir sie so schnell erreichen könnten – stellen wir aber häufig fest, dass diese Ziele unsinnig waren. Sie zu erreichen, brachte uns nicht die Erfüllung, die wir uns erhofft haben. Unzufrieden suchen wir nach neuen Zielen. Damit schieben wir allerdings unsere echten Ziele (Erfüllung, Glück, Freiheit) noch weiter weg.

Aber was wäre, wenn wir diesen Teufelskreis einfach umgehen?

Tauschen wir „mehr“ gegen „genug“

Fast alles was wir tun lässt sich auf zwei Gründe zurückführen: den guten Grund oder den schlechten Grund. Der gute Grund ist oft tugendhaft, der schlechte Grund oft toxisch.

Wir arbeiten hart in möglichst hochbezahlten Jobs, um Geld zu verdienen, das wir für sinnvolle Zwecke einsetzen können. Wir trainieren, weil wir unseren Körper an die Grenzen seines Potenzials bringen und die Endorphine spüren wollen. Wir lesen, weil unsere Eltern uns von klein auf die Liebe zum Lernen beigebracht haben.

Aber manchmal arbeiten und sparen wir immer weiter, nur um das Vermögen noch mehr zu erhöhen. Manchmal schleppen wir uns müde aus dem Bett, um zu trainieren, damit wir gut aussehen und somit unsere innere Unsicherheit über das körperliche Erscheinungsbild überspielen können. Manchmal lernen wir nur, um die vermeintlich versäumte Ausbildung nachzuholen.

Es gibt viele gute Gründe für eigene Hobbys und Gewohnheiten. Aber es gibt auch schlechte Gründe. Und diese sind häufig mit Angst oder Unsicherheit verbunden. Das Problem ist: Sowohl der gute, als auch der schlechte Grund kann uns vorantreiben. Jemand, der von Angst getrieben wird, erreicht kurzfristig wahrscheinlich sogar schneller seine (vermeintlichen) Ziele als jemand, der von einer inneren Motivation heraus angetrieben wird.

Aber Angst und Sorge sind ein instabiler Treibstoff. Sie haben Nebenwirkungen, die sich auf unsere langfristige Leistungsfähigkeit auswirken. Es schadet unserem Körper und unserer Seele. Das wird im kurzfristigen Bild aber nicht sichtbar.

Meine Lösung lautet: Wenn ich in verschiedenen Bereichen meines Lebens die Position des „genug“ erreicht habe, höre ich nicht auf, Dinge zu verbessern. Aber ich höre auf, mir um sie Sorgen zu machen.

Oder kurz gesagt: Nachhaltiger Fortschritt.

Nachhaltiger Fortschritt

Ich versuche nicht mehr, mich ständig zu optimieren. Klappt sowieso nicht (Couch und so). Wenn ich mich an die wesentlichen Dinge halte und nicht versuche, diese zur Perfektion zu treiben, dann bringt es mich nachhaltiger voran. Durchhaltevermögen kann langfristig eine Superkraft sein. Nicht nur beim Investieren.

Konkret bedeutet das: ein besserer Mensch werden
– Ich höre auf zu arbeiten, wenn ich mich nicht mehr konzentrieren kann.
– Ich trainiere nicht, wenn mein Körper Erholung braucht.
– Ich kümmere mich nicht um Hobbys (wie meinen Blog), wenn ich keine Lust dazu habe.
– Ich versuche nicht, meine Sparquote weiter zu erhöhen, wenn es mich zu sehr einschränkt.

„Big Five For Life“- und Tschakka-Coaches werden das wahrscheinlich nicht verstehen. Aber ich bin mir sicher: Um meine Produktivität und mein Glück langfristig zu maximieren, muss ich akzeptieren, dass ich auf dem Weg dorthin kurzfristiges Potential liegenlasse. Nur so kann ich eine lange, glückliche und nachhaltige Beziehung zu den wesentlichen Dingen aufbauen.

Lass los für eine bessere Zukunft

Das Schöne ist: Dieses Denkmuster lässt sich überall anwenden. Anstatt sich unter Druck zu setzen, den besten Job aller Zeiten zu bekommen, können wir die Vor- und Nachteile des aktuellen Jobs anerkennen. Wir könnten ihn solange optimal ausfüllen, bis wir eine neue, bessere Stelle gefunden haben.

Was wäre, wenn wir Dinge einfach weglassen, von denen wir glauben, dass wir sie tun müssten. Nur, um für andere etwas zu tun oder deshalb, um andere zu beeindrucken?

Meine Omma sagte immer: „Müssen muss man gar nichts. Nur sterben.“

Wir müssen keinen Halbmarathon laufen.
Wir müssen keine Sparquote von 30 Prozent erreichen.
Wir müssen nicht 100.00 Euro im Jahr verdienen.

Hören wir doch endlich auf mit der Selbstgeißelung und seien wir zufrieden mit dem was wir haben. Ohne daran zu arbeiten, langfristig besser und glücklicher zu werden.

Abschließender, ultimativer Anti-Optimierungs-Gedanke

Wenn du das nächste Mal ein Ziel oder einen Wunsch entwickelst, von dem du glaubst, dass es dein Leben verändern könnte, dann trete einen Schritt zurück und frage dich: „Was wäre, wenn es jetzt schon genug wäre? Was wäre, wenn ich jetzt schon wäre?“

Es ist gut. Und du bist gut.

Amen!

P.S. Das Spiel zwischen Qairat Almaty und Alashkert Erewan endete übrigens 0:0. 🙂

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7 Gedanken zu „Du möchtest ein besserer Mensch werden? Du bist schon gut genug!“

  1. Moin Felix,

    sehr schöner Artikel, gut geschrieben.

    Das Zurückbesinnen auf die Werte, die einen glücklich und zufrieden machen, kommt bei vielen m.E. häufig zu kurz. Die Gründe hast Du ja ausführlich beschrieben.

    Im letzten Absatz hat Du geschrieben “Was wäre, wenn ich jetzt schon wäre?”.
    Fehlt da ein Wort, oder hast Du das eher philosophisch im Sinne von “Sein” gemeint?

    Viele Grüße,
    Mike

    1. Hallo Mike,
      keine Ahnung – ich war irgendwie im Flow 🙂 Lass ich einfach mal so stehen. Wirkt melodramatischer.

      Danke für das Lob. Ist immer etwas “aufregend” so einen Artikel dann doch zu veröffentlichen.

      Viele Grüße
      Felix

  2. Hallo Felix,

    beim Sofa und der Bettkarte stempeln hattest Du mich.
    Auch ich habe lange über eine Selbstoptimierung nachgedacht und war immer genervt, dass ich nach einem 14 Stundentag als Arbeitnehmerin, Mutter, Freundin…nicht den allerwertesten hoch bekommen habe um etwas für meine Zukunft zu tun. Bis ich mich irgendwann gefragt habe: Was ist, wenn ich einfach lebe und genieße?
    Das bedeutet nicht, dass ich keine Ziele und Perspektiven habe, aber ich gestatte mir “genug” zu sein. Ich gestatte mir nach 14 Stunden mich einfach aufs Sofa zu setzen, ein Buch zu lesen und dann ins Bett zu gehen, ohne schlechtes Gewissen. Deine Oma hats verstanden, wir müssen gar nichts. Aber wir dürfen alles. Das ist mein Mantra in diesem Jahr, ich darf alles, auch 20 Uhr ins Bett gehen ohne schlechtes Gewissen! Und meine Ziele erreiche ich erstaunlicherweise trotzdem.
    Grüße
    Julia

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