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Einige Geldsachen, über die ich meine Meinung geändert habe (nach Paul Saffo)

Seien wir ehrlich: Finanzplanung und der Umgang mit Geld sind schwierig. Das liegt vor allem daran, dass sich die Umstände und Rahmenbedingungen ständig ändern. Und dabei spreche ich nicht nur von den Märkten, der Wirtschaft oder neuen Technologien. Vor allem unsere persönlichen Erfahrungen, Meinungen und Prioritäten ändern sich im Laufe der Zeit. Paul Saffo

Genau deshalb bin ich ein Freund des Systems „Strong Opinions, Weakly Held“. Dieses wurde vom Technologieforscher Prof. Paul Saffo von der Stanford University entwickelt. Sein Konzept beschreibt das Treffen von Entscheidungen trotz unvollständigen Informationen. Bezogen auf Geldthemen, möchte ich dazu im folgenden Text ein paar meiner Gedanken mit euch teilen.

Sell down to the sleeping point

Eine meiner wichtigsten Erkenntnisse der letzten Jahre ist, dass Geldanlage nicht stressig sein darf. Niemals! Never! Olmaz! Wenn man vor dem Einschlafen noch an Aktien und die letzten Kursentwicklungen denkt, ist es Zeit, die Reißleine zu ziehen! Das eigene Portfolio muss so aufgestellt sein, dass es einem Nachts nicht den Schlaf raubt.

An der Börse gibt es eine alte Geschichte über den Unternehmer und Privatbankier John Pierpont (J. P.) Morgan. Einer seiner Freunde soll sich mal derart Sorgen um seine Aktien gemacht haben, dass er nachts nicht schlafen konnte.

Er fragte JP Morgan: “What should I do about my stocks?”

Und Morgan antwortete: „Sell down to the sleeping point

Die Antwort ist so radikal wie simpel. Verkaufe alles vor dem Schlafengehen. Dann hast du keinen Stress mehr. Hinter Morgans Antwort, steckt eine wichtige Erkenntnis: Bei der Geldanlage geht es um Kompromisse. Und dabei ist die individuelle Risikobereitschaft eine der wichtigsten Variablen.




Viele Menschen fühlen sich bereits unsicher, wenn sie anfangen in einen globalen und breit-diversifizierten ETF zu investieren. Alternativ könnten sie ihr Vermögen auf einem Festgeldkonto sparen und jahrelang wie ein Baby schlafen*. Allerdings würden sie später „aufwachen“ und feststellen, dass sie einen großen Teil ihres Vermögens durch Nullzinsen und Inflation verloren haben.

*Also nicht wie mein Baby. Das wird immer noch ständig wach. Aber der Kleine hat ja auch ein ETF-Depot 😄

Für mich ist der goldene Mittelweg der richtige. Ich muss nicht mit spekulativen Aktien oder den neuesten Kryptowährungen zocken. Dennoch möchte ich vom langfristigen und globalen Wirtschaftswachstum profitieren. Deshalb investiere ich in einen FTSE All-Country-World ETF. Denn auch Einzelaktien würden mich mental zu sehr beschäftigen.  Aber das habe ich ja bereits in diesem Beitrag beschrieben. Paul Saffo

Und noch eine Ergänzung: Viele erfahrenen Privatinvestoren finden globale ETFs langweilig und renditeschwach. Wer dieses Empfinden hat, sollte mal über seine eigene Risikopräferenz nachdenken. Ich glaube nämlich, dass beide Aussagen falsch sind. Und: Mit einem ETF-Investment gehöre ich immer noch zum mutigsten Anlegerdrittel der Deutschen. Globale ETFs sind das Beste – gleich nach Rhabarbergrütze.

Faktoren gehören zur Plutimikation, aber nicht ins Depot

Es gibt zahlreiche Forschungsstudien und Backtests zum Thema Factor Investing. Value, Small-Size, Quality, Momentum, Political-Risk – es gibt nichts, was es nicht gibt. Und tatsächlich zeigen einige Untersuchungen, dass bestimmte Faktoren in der Vergangenheit Prämien (Mehrwerte) gegenüber dem Markt-Beta (der Marktrendite) eingebracht haben. Wer sich intensiver damit beschäftigen möchte, empfehle ich für regnerische Wochenenden die Beiträge von Dr. Gerd Kommer.

Ich persönlich habe weder die Zeit, noch die Lust mich um die letzte Nachkommastellen-Rendite zu kümmern. Und zwar deshalb, weil ich glaube, dass es wichtigere und subjektivere Einflussfaktoren auf die eigene Rendite gibt: Transaktionskosten, laufende Kosten, Steuern, sowie vor allem Geduld und Durchhaltevermögen. Außerdem kann zu viel Gelehrsamkeit selbst den Gesündesten kaputtmachen.

Außerdem haben heutzutage Anleger schnellen Zugang zu allen Informationen, hohe Rechenleistungen und das Wissen über die Marktgeschichte.




Ich fühle mich wohler mit Schulden Paul Saffo

Vor etwa sechs Jahren fing ich damit an, mich mit Finanzen und Geldanlage zu beschäftigen. Damals gab es innerhalb der Finanzblog-Community kein Pardon: Schulden sind böse. Im ersten Schritt sollten Schulden und Kredite getilgt werden. Dann kommt der Notgroschen, dann die langfristige Geldanlage. Über die Jahre hat sich diese Ansicht etwas verändert. Zwar sollten Konsumschulden weiterhin vermieden werden, Kredite für Bildung oder Immobilien werden aber nicht mehr grundsätzlich verteufelt.

Ich selbst bin kein großer Freund von Schulden. Allerdings erscheint es mir irgendwie auch irrational bei historischen Niedrigzinsen nicht darauf zurückzugreifen. Vielleicht sehen wir aber auch noch Zinsen im deutlich negativen Bereich. Wer weiß, was die Zukunft bringt?!

Insgesamt sehe ich die aktuellen Zinsen als „Trostpreis“ für fehlende Zinsen auf risikolose Anlagen. Man muss halt immer sehen, welche Möglichkeiten die aktuellen Rahmenbedingungen bieten. Frei nach dem Motto von Paul Saffo: Strong Opinions, Weakly Held

Eine sehr hohe Sparquote macht nicht glücklich

Meine Eltern haben mich nicht übermäßig sparsam erzogen. Eher im Gegenteil. Mit guten Berufsausbildungen und der Erfahrungen der DDR, haben sie nach der Wende vieles nachgeholt (und das kann man ihnen auch überhaupt nicht verübeln). Wir sind oft in den Urlaub geflogen, wohnten in einem großen Haus und hatten eigentlich jeden technischen Schnick-Schnack, den die 90er Jahre so mit sich brachten. Ich hatte definitiv eine finanziell sorgenfreie Kindheit.

Durch die Beschäftigung mit der Geldanlage und von Finanzblogs, bin ich deutlich sparsamer geworden. Allerdings gehört zu diesem „Findungsprozess“ auch meine persönliche Situation mit mittlerweile drei kleinen Kindern. Meine Frau und ich haben jeweils Elternzeiten genommen und auch darüber hinaus die Kinder Zuhause betreut. Wer in ähnlicher Situation ist, weiß: Da geht verdammt viel Geld flöten. Paul Saffo

Dennoch haben wir es aus meiner Sicht alles richtig gemacht. Denn diese wichtige und schöne Zeit kommt nie mehr zurück. Zudem haben wir uns viel Stress erspart. Morgens die Kleinen in den Kindergarten, die Größeren zur Schule, dann zur Arbeit hetzen und danach direkt alle wieder einsammeln. Super stressig. Und irgendwer hat ja immer Spunk.

Trotzdem haben wir es geschafft zu sparen. Außerdem haben wir einen Puffer für ungeplante Ausgaben, sind gut abgesichert und haben was für die betriebliche Altersvorsorge getan. Wir werden nicht mit 40 Jahren finanziell frei sein. Auch nicht mit 50 und wahrscheinlich auch nicht mit 60 Jahren. Aber ich denke, dass wir bisher ganz gut vorgesorgt haben. Wenn wir es schaffen, die großen Finanzfehler der Mittelschicht (Scheidung, Hauskauf in der Pampa etc.) zu vermeiden und Deutschland nicht komplett von den Sozis regiert wird, werden wir von Altersarmut verschont bleiben.




Wenn Dinge oder Erlebnisse Glück bringen, dann bezahlen wir gerne dafür. Dafür reduzieren wir Ausgaben an anderen Stellen. Nämlich für Dinge, die uns nicht mehr Glück oder Komfort bringen.

Geld zu sparen ist wichtig. Aber ich glaube nicht, dass man an allem sparen sollte. Wie wir unser Geld ausgeben, hat einen großen Einfluss auf unser Wohlbefinden. Aber nur dann, wenn wir uns bewusst sind, wie und wo es ausgegeben wird.

Ich bin ein großer Befürworter des Sparens. Aber das Leben ist zu kurz, um alles zu sparen.

Wie hat sich deine Einstellung zu Gelddingen in den letzten Jahren verändert?

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4 Gedanken zu „Einige Geldsachen, über die ich meine Meinung geändert habe (nach Paul Saffo)“

  1. Hey Felix,

    Ich glaube der Vorschlag von JP Morgan war ein bisschen weniger radikal, der englische Satz sollte eher heißen: „verkaufe so viel, bis du wieder gut schlafen kannst.“ Nicht gleich in Panik geraten und alles raushauen.

    Und was zum Teufel ist Spunk? 😂

    Viele Grüße
    Dominik

    1. Hi Dominik,
      ja stimmt – das habe ich vielleicht etwas radikal interpretiert.
      Du kennst kein Spunk? Dann sind dir wohl auch die anderen “Easter Eggs” entgangen?! 😉

      VG
      Felix

  2. Hallo Felix!

    „Sell down to the sleeping point“ meint nicht, dass man alles vor dem Schlafengehen verkaufen soll, sondern nur gerade so viel Aktien halten soll, dass man noch gut schlafen kann. „In the trade-off between the conflicting investor goals of „eat well“ and „sleep well“, the sage advice is to „sell down to the sleeping point“.“ – Charles D. Ellis – Winning the looser‘ s game

    Grüße

    Ty

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