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Extremer Frugalismus – Lohnt sich das?

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Der folgende Beitrag erschien erstmals in der 13. Ausgabe des Finanzblogroll Magazins (November 2021) 
Extremer Frugalismus

Ein Gastbeitrag von Finanzblogleserin Annika

Der Weg zur finanziellen Freiheit ist lang und steinig. Er ist voller Mühen, Hingabe und des ständigen Drucks, stets vernünftige und rationale Entscheidungen treffen zu müssen. Mit der Zeit steigt der eigene Anspruch die monatliche Sparquote um ein paar weitere Prozentpunkte nach oben zu schrauben. Spätestens hier beginnt extremer Frugalismus.

Die Grundlage der finanziellen Freiheit

Der Begriff Finanzielle Freiheit hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Früher bedurfte er einer Erklärung und war lediglich Menschen mit einer visierten Finanzbildung gängig.

Mittlerweile kennen und verstehen viele das Konzept der finanziellen Freiheit – und gewinnen vermehrt Gefallen daran. Aber erst wer das Ziel konkret und mit Absicht verfolgt, kann verstehen wie schwer die langfristige Umsetzung ist.

Ich persönlich verstehe erst heute, im Alter einer Mittdreißigerin, dass ich viel früher hätte starten müssen. Nun müssen wollen wir mit doppelter Intensität arbeiten, um das gleiche Ergebnis zu erzielen als hätten wir uns bereits vor zehn Jahren auf die Reise begeben. Damals, mit Mitte Zwanzig hatten wir Konsumschulden. Wir gaben mehr Geld aus als wir verdienten (obwohl wir zum ersten Mal richtig verdienten). Wir trafen Entscheidungen, ohne deren Auswirkungen auf die Zukunft zu hinterfragen. Extremer Frugalismus

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Kurz gesagt: Wir waren nicht anders als die meisten anderen. Minimalismus oder gar Frugalismus, genauso wie Investieren in Aktien und ETFs, waren zu dieser Zeit kaum ein Thema. Weder in den Medien, noch auf privaten Blogs oder auf Social-Media.

Insofern hat es die junge Generation heute einfacher. Es gibt zahlreiche Vorbilder und Pläne, die kostenlos verfügbar sind. Wir persönlich sind vor einigen Jahren über das Modell von Dave Ramsey gestolpert. Letztendlich geht es um den Aufbau eines gewissen Finanz-Grundwissens und eines richtigen “Mindsets” (sorry für den Bullshit-Begriff 🙂 ). Der Teufel steckt nicht im Detail. Ein ordentlicher Plan, grobe Budgets und Durchhaltevermögen – mehr braucht es nicht.

Wohin geht die Reise?

Wichtig beim Start auf den Weg in die finanzielle Freiheit sind aus meiner Sicht zwei Punkte. Erstens muss der Partner/die Partnerin absolut an Board sein. Allein wird es nicht funktionieren. Zumindest dann, wenn die laufenden Kosten aus einer gemeinsamen Kasse getragen werden. Aber selbst wenn nicht. Minimalismus oder Frugalismus verändern den eigenen Lebensstil. Und das funktioniert nur gemeinsam als Paar. Der zweite Punkt ist, dass es Spaß machen muss. Vor allem in der Planung klingen zusätzliche Nebenjobs oder der Verkauf von Dingen nicht unbedingt nach Jubel, Trubel, Heiterkeit. Aber es ist (aus meiner Sicht) wirklich inspirierend, sich von materiellen Dingen zu trennen. So wird das Ganze zu einer Art Spiel auf der Suche nach weiteren „Potentialen“.

Und bevor du dich versiehst, bist du auf dem besten Weg zu deinen Zielen. Wahrscheinlich sogar mit einer besseren Beziehung zu Geld. Und deinem Partner.

Allerdings nimmt der Schwung nach einiger Zeit auch ab. Denn irgendwann sind alte Bücher, Küchenmaschinen und Klamotten auch verkauft. Das ist unvermeidlich. Aber das ist okay. Du solltest akzeptieren, wenn die Reise dann etwas langsamer vorangehen wird als in den ersten Monaten. Aber die Grundlagen sind gelegt. Extremer Frugalismus

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Die Bergetappe

Um den nächsten, großen Schritt zu gehen, braucht es aber mehr Anstrengung. Konsequentes Handeln. Und immer mehr Menschen treffen diese Wahl. Wie? Durch eine Sparquote von 40 bis 50 Prozent. Keine Frage, das erfordert sehr viel Disziplin. Aber die Auswirkungen sind enorm.

Eine konsequente und langfristige Sparquote von 10 Prozent ist super. Für die meisten Menschen ist das absolut in Ordnung und ausreichend. Immerhin sparen viele ja gar nichts. Wer aber wirklich die finanzielle Freiheit anstrebt, muss höhere Quoten erreichen.

Auch wenn die Zinsen in den letzten Jahren stark gefallen sind, sind Immobilienschulden ein Wohlstandskiller. In seinem Buch „Money, Master The Game“ spricht Tony Robbins davon, dass Hypothekenzahlungen in Kapital und Zinsen aufgeteilt werden. Okay, das ist keine große Erkenntnis. Aber wer genau rechnet sieht, dass man bei einer Beleihungsquote von 80 Prozent und einer moderaten Tilgungsrate letztendlich zwei Häuser abbezahlen muss. Stell dir vor, dieses Geld könntest du langfristig in die Altersvorsorge packen. (Ja, Immobilien sind für mich keine klassische Altersvorsorge. Auch wenn es durchaus positive Aspekte gibt, Stichwort Sparzwang.)

Diese Überlegungen sind natürlich etwas vereinfacht und theoretisch. Für viele Familien ist es schlichtweg unmöglich, Sparquoten jenseits der 20 oder 30 Prozent zu erreichen. Aber manchmal ist ja bekanntlich der Weg das Ziel. Und die Prinzipien der Lebensstilanpassung und Ausgabensenkung können auch hier sehr positive Auswirkungen auf die finanzielle Situation bewirken.

Sei kein Mitläufer

Der wichtigste Aspekt beim Konzept der finanziellen Freiheit ist für mich die Selbstfindung. Seien wir ehrlich: Wir sind umgeben von vielbeschäftigten Eltern, Reihenhäusern mit übergroßen Spieltürmen im Garten und überteuerten Autos. Die stehen meist vor der Garage, weil die selbst mit unnötigem Kram völlig überfüllt ist, sodass kein Auto mehr reinpasst. Die Menschen sind getrieben von Werbeversprechen, geschönten Instagram-Stories und Neid. Es ist ein Narrenspiel. Es wird immer jemanden geben, der mehr Geld hat, erfolgreicher im Job ist oder häufiger auf die Malediven fliegt.

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Die Lösung lautet: Lebe dein eigenes Leben und vergiss die anderen. Scheiß auf die Heita-Tai-Streber.

Das Wichtigste ist, dass du das Leben führst, welches du dir wünscht. Für den einen bedeutet das eine möglichst hohe Sparquote, um schnell finanziell frei zu sein. Für viele andere ist es ein Mittelweg der Vernunft. Was ich aber allen empfehlen kann, ist es auszuprobieren. Was ist das Schlimmste, was passieren kann? Es wird dir nicht schlechter gehen als vorher. Extremer Frugalismus

Endspurt – Frugalismus ändert das Leben

Das Fundament eines finanziell unabhängigen Lebens besteht im Abbau von Schulden. Sie sind die größte Bremse – und bei vielen eine scheinbar unüberwindbare erste Hürde. Wer aber konsequent ein Ziel definiert und daran arbeitet, wird seine Schulden schnell abbauen können. SO war es auch bei uns.

Wenn du die „Extrameile“ gehen und frugalistisch leben möchtest, sollte dir aber eines klar sein: Bei konsequenter Umsetzung wird sich dein Lebensstil teilweise dramatisch ändern. Ausgehen mit Freunden, im Restaurant essen, Freizeitparks oder teure Urlaube werden dann sehr viel seltener. Auch der Kauf neuer Einrichtungsgegenstände und Klamotten muss deutlich reduziert werden.

Frugalismus ist wie der Entzug vom scheinbar modernen Leben. Nur wir bewusst diese Entscheidung getroffen hat, wird diesen Weg gerne und motiviert gehen.

Wichtig ist auch das Konzept „pay yourself first“, für das nahezu alle Sparprediger werben. Du solltest dir zunächst eine Sparquote als Ziel vornehmen und dann diesen Anteil am ANFANG des Monats von deinem Girokonto nehmen. Denn meiner Erfahrung nach, wird sonst immer irgendeine „erforderliche“ Ausgabe dazwischenkommen.

Du musst alles kürzen, was du nicht wirklich brauchst. Hinterfrage jede Rechnung, jedes Abo, jede Ausgabe. Konzentriere dich in erster Linie auf das, was deinen Lebensstil nicht beeinflusst. Und das ist schon eine Menge. Plane Budgets und vor allem: halte die Budgets ein.
Das ist viel Arbeit. Aber es lohnt sich. Für mich und meine kleine Familie ist es ein spannendes Experiment. Wir schätzen materielle Dinge viel mehr als vorher. Und wir machen auch mehr gemeinsam. Wir sind mehr in der Natur, weniger unter vielen Menschen (okay, das mag auch eine Corona-Folge sein 😊).

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Extremer Frugalismus – Lohnt es sich?

Das Leben ist kurz. Am Ende des Tages müssen wir unsere eigenen Entscheidungen treffen. Die Wahl, dies auszuprobieren, liegt bei uns. Beim Frugalismus geht es mir nicht um Geldgier oder Geiz. Es geht um eine Herausforderung, die unsere Wahrnehmung auf das Leben verändern kann. Und uns mehr Kontrolle darüber zu geben, wie wir unser Leben führen möchten.

Du kannst selbst entscheiden, wie und ob du dein monatliches Einkommen ausgeben möchtest. Das wichtigste Ziel ist doch letztendlich, dass du damit glücklich bist. Dass du einem möglichst erfüllenden Job nachgehst und deine Freizeit und dein soziales Leben Glück bringt. Der Grat zwischen Vernunft und Genuss ist schmal. Manchmal trifft sich beides aber auch.

Auch unsere Reise ist noch lange nicht vorbei. Auch wir werden in den nächsten Jahren weitere Herausforderungen meisten müssen. Und wir werden manchmal scheitern. An unserem Anspruch, geänderten Lebensumständen, Krankheiten – was auch immer. Aber das ist Zukunft. Machen wir also in der Gegenwart das was uns glücklich macht. Und hören wir nicht auf zu träumen.

Annika


 

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