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Von der Bastelreligion zum Basteldepot

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Etwas mehr als die Hälfte der Deutschen sind Mitglied der Römisch-katholischen oder der Evangelische Kirche. Hinzu kommen etwa sieben Prozent Muslime, wenige Buddhisten, ein paar Zeugen Jehovas und eine Handvoll Hindus. Weiterhin gibt es Mormonen, Siebenten-Tags-Adventisten, Mandäer, Voodoos, Zaiditen, Quäker und viele mehr. Basteldepot

Der Phantasie bei der Schaffung und der Auslebung von Religionen sind keine Grenzen gesetzt. Im kanadischen Montreal gibt es sogar die Lehre des „Temple of Priapus“. Die Brüder und Schwestern dieser Glaubensgemeinschaft beten den Phallus an, weil dieser dem Leben Schönheit, Freude und Genuss bringe. Die St. Priapus Church besteht aus mittlerweile mehreren hundert Anhängern und finanziert sich vor allem über ihren „Kirchenshop“. Dort werden statt Kerzen, Engeln und Bibeln vor allem Peniskerzenhalter und -fotos an den Mann und die Frau gebracht. Weitere Informationen zu den Ritualen der „Temple of Priapus“ könnt ihr bitte selbst ergoogeln.

Religion und Spiritualität sind also sehr vielfältig. In einer freien Gesellschaft, hat jeder Mensch hat das Recht, seine Religion und die damit verbundenen Rituale frei auszuleben. Dies als Grundlage, ist vor allem in Bezug auf die fünf Weltreligionen (Christentum, Islam, Hinduismus, Buddhismus und Judentum) während der letzten Jahre ein spannendes Phänomen zu beobachten. Basteldepot

Immer mehr Menschen finden keinen ganzheitlichen Zugang zu den typischen Religionsmerkmalen. Daher begeben sich viele auf eine spirituelle Suche nach ihrer individuellen Religion und bedienen sich dabei aus den prall gefüllten Regalen der verschiedenen Glaubenslehren. Als Hauptzutat die zehn Gebote des Christentums, verfeinert mit den Essenstraditionen der Muslime und Juden. Hinzu eine Prise Meditation aus dem Buddhismus, serviert mit dem Reinheitsgebot aus dem Hinduismus. Fertig ist die selbstgebastelte Religion. Aus dem Religionsmonitor, einer Studie der Bertelsmann-Stiftung, geht hervor, dass bereits 23 Prozent der Deutschen auf Lehren oder Rituale verschiedener Religionen zurückgreifen.

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Dieses Phänomen der Pluralisierung, lässt sich auch auf ökonomischer Ebene beobachten. Märkte werden zunehmend ausdifferenziert und komplex. Am Ende der Wertschöpfungsketten steht letztendlich ein möglichst personalisiertes und einzigartiges Produkt. Das Kleidungsstück von der Stange ist out. Das Smartphone braucht eine individualisierte Hülle. Das Sofakissen ein Bild von der Familie. Und das Müsli muss selbst „komponiert“ sein. Letztendlich sind auch Facebook und Co. nichts Anderes als Plattformen, um die eigene Individualität zum Ausdruck zu bringen.

Zwischen Interreligiosität und Interanlagestrategie

Hauptsache weg vom Mainstream. Das gilt nicht nur bei der Religion oder dem Konsum, sondern auch zunehmend für die Geldanlage. Das zeigt sich beispielsweise bei börsengehandelte Indexfonds (ETFs). Als John Bogle in der 1970er Jahren ETFs erfand, sollten diese amerikanischen Privatanlegern einen einfachen und kostengünstigen Zugang zur Börse ermöglichen. Das Ziel war der langfristige Aufbau von Vermögen durch die Partizipation am renditestarken Aktienmarkt bei gleichzeitig moderaten Risiken. Letztendlich braucht es für „die reine Lehre“ und für die Erfüllung des eigentlichen Zwecks, maximal eine Handvoll ETFs.

„Suchen Sie nicht die Nadel,
kaufen Sie den Heuhaufen! “

John Bogle

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In der Praxis sieht es mittlerweile allerdings anders aus. Statt einer Konzentration auf möglichst breite Märkte, entstehen immer mehr börsengehandelte Indexfonds, die spezielle Regionen, Situationen oder Anlagestrategien abbilden. Dadurch hat sich die Anzahl der ETFs in den letzten zehn Jahren mehr als verdreifacht. Waren es im Jahr 2009 noch knapp 2.000, so wurden im Jahr 2019 bereits 6.970 verschiedene Produkte weltweit angeboten. Das verwaltete Fondsvolumen beträgt bereits mehr als 5 Billionen US-Dollar und könnte sich in der nächsten Dekade erneut verdoppeln.

Quelle: Statista

Es gibt ETFs für Unternehmen aus den Bereichen Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Robotik. Für Small Caps, Mid Caps und Large Caps. ETFs auf Holz, Aktienrückkauf-Strategien, für Kuwait und Geschlechtergleichheit. Lediglich die Kombination Kuwait und Geschlechtergleichheit fehlt noch. Dafür gibt es bestimmt bald noch ETFs für Dienstage, Schaltjahre oder Schalke-Siege. Von letzterer Strategie würde ich allerdings strikt abraten – selbst als Anhänger der Knappen. Basteldepot

Thematische oder regionale Schwerpunkte im Basteldepot

Aufgrund dieser breiten Produktpalette, sowie persönlichen Interessen, verfolgen immer mehr Anleger eine pluralistische Anlagestrategie und bauen sich ein individualisiertes Gesamtdepot. Neben einem global diversifizierten „Brot-und-Butter“-ETF, lassen sich dadurch persönliche Schwerpunkte auf Dividenden, Grüne Energie oder Blockchain-Technologie setzen. Die Zusammensetzung kann sowohl die Interessen, als auch die individuelle Expertise des Anlegers widerspiegeln.

Beispielsweise kennen Ange-stellte aus dem IT-nahen Umfeld die Trends in der Digitalisierung und die entsprechenden Unternehmensanforderungen. Vielleicht haben sie Kontakt mit Beratungshäusern oder Herstellern von Enterprise-Software. Wer glaubt, langfristige Trends erkennen und einschätzen zu können, aber dennoch nicht in einzelne Unternehmen investieren möchte, der kann sein EFT-Portfolio gezielt um entsprechende Anlagethemen erweitern.

Nachhaltigkeits-ETFs als beliebte Beimischung

Neben einer regionalen Diversifikation, integrieren Immer mehr Privatanleger nachhaltige Fonds in ihr individuelles ETF-Depot. Nach Schätzungen des Vermögensverwalters Blackrock, soll sich das in nachhaltige Anlageformen investierte Vermögen in den nächsten zehn Jahren verdoppeln. Wie viel Nachhaltigkeit hinter den Produkten steckt, ist allerdings fraglich. Mehr dazu gab es bereits in der letzten Ausgabe des Finanzblogroll Magazins im Beitrag „Nachhaltiges Investieren – Geldanlage mit gutem Gewissen“. Basteldepot

Problematisch ist vor allem die Beimischung von Nachhaltigkeits-Fonds in ein selbst gebasteltes Portfolio. Zwar entfallen bei Produkten mit dem Siegel ESG (Environment, Social und Corporate Governance) Unternehmen aus ethisch nicht-vertretbaren Branchen. Allerding werden durch die Zusammensetzung nach Marktkapitalisierung große (und vermeintlich ökologisch und sozial faire) Unternehmen überproportional gewichtet. Häufig finden sich die Aktien dieser Firmen bereits im MSCI World und führen insgesamt zu einem gewissen Klumpenrisiko im Gesamtdepot. Daher ist fraglich, ob Nachhaltigkeits-ETFs eine gute Form der Beimischung sind oder sie stattdessen als Ersatz für den MSCI World als Basisinvestment zu sehen sind. Wie die beiden folgenden Beispiel-ETFs zeigen, haben sich Nachhaltigkeits-Fonds bereits erfolgreich am Markt etabliert. Basteldepot

iShares MSCI World SRI UCITS ETF EUR (Acc)
ISIN: IE00BYX2JD69, WKN: A2DVB9
Investiert in rund 400 Unternehmen aus Industrieländern welt-weit. Berücksichtigt lediglich Unternehmen, die innerhalb ihres Sektors über ein hohes Rating in den Bereichen Umweltschutz, soziale Verantwortung und Unternehmensführung (ESG) verfü-gen, sowie bestimmte Klimaschutz-Kriterien erfüllen.
Replikationsmethode: Physisch (Optimiertes Sampling)
Ausschüttung: Thesaurierend
Gesamtkostenquote: 0,20% p.a. (TER)
Fondsvolumen: EUR 1.664 Mio.
Auflagedatum: Oktober 2017

UBS MSCI World Socially Responsible UCITS ETF USD A-dis
ISIN: LU0629459743, WKN: A1JA1R
Investiert in rund 400 Unternehmen aus Industrieländern welt-weit. Berücksichtigt lediglich Unternehmen, die innerhalb ihres Sektors über ein hohes Rating in den Bereichen Umweltschutz, soziale Verantwortung und Unternehmensführung (ESG) verfü-gen.
Replikationsmethode: Physisch (Vollständige Replikation)
Ausschüttung: Ausschüttend (Halbjährlich)
Gesamtkostenquote: 0,22% p.a. (TER)
Fondsvolumen: EUR 2.164 Mio.
Auflagedatum: August 2011

Nachteile und Gefahren vom Basteldepot

Bei allen Optionen, die spezialisierte ETFs bieten, bringen sie auch zusätzliche Risiken mit sich. Anleger sollten vor allem da-rauf achten, dass sich der Fonds am Markt etabliert hat. Dafür sollte man prüfen, wie lange das Produkt bereits investierbar und wie hoch das verwaltete Fondsvermögen ist. Diese Informationen findet man im jeweiligen Fondsprospekt oder auf speziellen Informationsseiten (z.B. www.justetf.com). Bestenfalls sollte der Fonds seit mehr als drei Jahren am Markt sein und ein Fonds-vermögen von mindestens 100 Millionen Euro aufweisen.

Zudem sind die laufenden Kosten von börsennotierten Indexfonds mit einer Spezialisierung oft höher als bei breiten Indizes. Das liegt zum einen an den etwas höheren Lizenzkosten, die von den ETF Anbietern an die Indexanbieter wie MSCI oder Standard & Poors zu zahlen sind. Zum anderen an den Aufwendungen zur Indexnachbildung (Replikation).

Anreicherung des Depots mit Einzelaktien

Neben speziellen ETFs, können Anleger auch direkt in einzelne Aktien investieren und somit ein noch individuelleres Depot auf-bauen. Wer nicht glaubt schlauer und besser als der Markt zu sein, sollte dabei vor allem auf eine breite Diversifikation achten. Ein einzelner Wert sollte maximal fünf Prozent des Gesamtvermögens abbilden. Auch eine gute Streuung nach Branchen sorgt nachhaltig für einen niedrigen Blutdruck und einen erholsamen Schlaf. Die Fokussierung auf wachstumsstarke Technologieaktien oder Hochdividendenwerte aus dem Immobiliensektor kann jahrelang zu einer Outperformance führen. Oder eben nicht.

Wer berufliche oder private Expertise in bestimmten Branchen besitzt, kann diese Werte gezielt als Beimischung im eigenen Basteldepot einsetzen. Den Schwerpunkt sollte allerdings immer breit diversifizierter „Brot-und-Butter“-ETF wie der MSCI World oder MSCI All-Country-World bilden.

Wer die beschriebenen Grundsätze beachtet, kann sich ein individuelles und gleichzeitig renditestarkes Depot aufbauen. Ähnlich wie bei der Religion heißt es aber durchzuhalten und seiner Strategie treu zu bleiben. Wer ständig auf neue Themen, Anlagestrategien oder Sektoren setzt, verschenkt durch Transaktionskosten wertvolle Rendite. Um langfristig erfolgreich zu sein, sollte man zudem nicht auf zu spezifische Nischen setzen. Ein stinknormaler MSCI World ist oft besser und erfolgreicher als etwa der Private-Equity-Fonds Mephisto. Letzterer investiert übrigens in verschiedene “sündhafte” Branchen, wie beispielweise „Erwachsenenunterhaltung“.

Das wäre möglicherweise ein Tipp für die „Temple of Priapus“. Sicherlich profitabler als Peniskerzenhalter.

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