Der folgende Beitrag erschien erstmals in der 8. Ausgabe des Finanzblogroll Magazins (Mai 2021)
Dividendenwachstum
Charlie Munger gilt als der kongeniale Partner von Warren Buffett bei Berkshire Hathaway. Sozusagen der Robin von Batman, der Terence Hill von Bud Spencer oder der Garfunkel von Simon. Munger und Buffett lernten sich im Jahr 1959 kennen und sind seitdem – zumindest was ihre Investorenexpertise betrifft – untrennbar miteinander verbunden. So gelang es ihnen über mehrere Jahrzehnte ein enormes Vermögen aufzubauen.
Während Warren Buffett als Zahlengenie gilt, ist Charlie Munger ist berühmt für sein Studium der mentalen Modelle. Ein mentales Modell – Munger spricht von einem „latticework of multidisciplinary mental models“ – ist eine Denkhilfe, um die Welt systematisch zu verstehen und die Entscheidungsfindung zu unterstützen. Um nicht im „Silo der eigenen Disziplin“ zu verharren, kommen mentale Modelle aus verschiedenen Disziplinen zum Einsatz. Dadurch konnte sich Munger ein breites Wissen aufbauen und ist weitaus mehr als der reine „Value Investor“, als welcher er häufig betitelt wird.
“Munger has the best 30 second mind in the world. He goes from A to Z in one move.
He sees the essence of everything before you even finish the sentence“.
(Warren Buffett)
Dividend Growth Investing
Ein mentales Modell in Bezug auf das Investieren ist das Dividend Growth Investing. Bei der Strategie des “Dividendenwachstum” investieren Anleger in Unternehmen, die über mehrere Jahre kontinuierlich ihre Dividenden steigern konnten. Für auch in Zukunft nachhaltige Dividendenerhöhungen, sollten auch die Umsätze und Gewinne des Unternehmens stetig steigen.
Echte Dividendenwachstum-Investoren schauen also nicht zuerst auf die Dividenden. Vielmehr konzentrieren sie sich in erster Linie auf die operative Leistung des Unternehmens und grundlegende Merkmale. Dazu zählen eine zukunftsträchtige Branche, hohe und stabile Margen, möglicherweise vorhandene Burggräben, sowie sonstige Wettbewerbsvorteile. Steigende Dividenden sind sozusagen nur die „unausweichliche“ Folge steigender Cashflows.
Und hier zeigt sich eine klare Abgrenzung zum reinen Wachstumsinvestor. Unternehmen, die ein sehr starkes Umsatz- und/oder Gewinnwachstum aufweisen zahlen in der Regel keine Dividende. Ihr Management ist der Ansicht, dass die generierten Cashflows im Unternehmen selbst besser angelegt werden können als sie in Form von Dividenden an die Aktionäre auszuschütten. Beispielsweise durch die Erschließung neuer Märkte, Erforschung neuer Produkte oder temporär defizitären Eroberung bestimmter Absatzmarkte. Daher bieten Wachstumsaktien höhere Chancen, bergen aber gleichzeitig auch höhere Risiken. Denn wer weiß wie lange das Wachstum noch anhalten kann oder nicht ein neuer Konkurrent den Markt erobert? Oft heißt es nämlich: „The winner takes it all“.
Vereinfacht gesagt, setzen Dividendenwachstum-Investoren auf solide und etablierte Unternehmen und fokussieren sich primär auf fundamentale Daten. Auch aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Investitionen gemäß der Dividendenwachstum-Strategie Puls und Blutdruck erheblich senken können. Sowohl blinkende Push-Nachrichten zum neuesten Quartalsbericht, als auch volatile Kursbewegungen im zweistelligen Prozentbereich konnte ich deutlich ruhiger verdauen als bei manch anderen Wertpapier-Spekulationen. Der Grund ist einfach: Als Dividendenwachstum-Investor erwartet man keine kurzfristigen Kursgewinne, sondern sieht die den Wertpapierkauf wirklich als langfristiges Investment in ein erfolgreiches Unternehmen. Jährlich steigende Dividendenzahlungen sind lediglich das Ergebnis.
Dividendenwachstum als Qualitätsmerkmal
Aus meiner Beobachtung schaffen es nur wenige Unternehmen stetig und wirklich nachhaltig ihre Dividenden zu erhöhen. Mögliche Kriterien nachhaltig erfolgreicher Unternehmen sind:
- Stabilität der Dividende >= 0,8
- Zuwachs der Dividende auf 5 Jahre >= 5%
- Zuwachs der Dividende auf 5 Jahre >= 5%
- Ausschüttungsquote <= 75%
- Dividendensteigerung >= 10 Jahre in Folge
Von den aktuell 1.411 Unternehmen im Aktienfinder erfüllen nur 183, also lediglich zehn Prozent, die genannten Kriterien.
Darunter befinden sich mit Fresenius SE, Fresenius Medical Care, Isra Vision, Cewe, SAP und Bechtle übrigens nur sechs Unternehmen aus Deutschland.
Die Zukunft bleibt auch für den Homo Dividendus ungewiss
Allerdings ist die fundamentale Entwicklung eines Unternehmens in der Vergangenheit keine Garantie für die Zukunft. Nur weil etwas in der Vergangenheit funktioniert hat, heißt das nicht, dass es auch in der Zukunft funktioniert. Oder anders formuliert:
“Prognosen sind schwierig, vor allem,
wenn sie die Zukunft betreffen.”
(Mark Twain)
Und weil viele Dividendenwachstumsinvestoren (im Vergleich zu aktiven Tradern) schlau sind, achten sie deshalb auf eine ausreichende Diversifikation. Denn die Verteilung des Kapitals auf verschiedene Branchen und Regionen verringert das unsystematische Anlagerisiko. Allerdings sollte eine gute Diversifikation keine negativen Auswirkungen auf die Qualität der ausgewählten Unternehmen haben. Beispielsweise können bestimmte Industriezweige für Dividendenwachstumsinvestoren uninteressant sein, da sie zu zyklisch sind und keine verlässlichen Einkommensströme und/oder Wachstumsaussichten bieten.
Eine weitere Eigenschaft des „Homo Dividendus“ ist die Konzentration auf niedrige Investitionskosten. Dabei spielen für Privatanleger die in Einzelaktien investieren die Kaufnebenkosten die größte Rolle. Mittlerweile bieten eine Reihe von Brokern kostenlose Aktiensparpläne an.
Willst du Schalke oben seh’n, musst du die Tabelle dreh’n
Ja ja, das Schalke-Bashing hat auf meinem Blog Tradition (aber ich darf das – denn ich bin selbst Schalker). Was in der Bundesliga die Tabelle ist, sind an der Börse die Aktiencharts. Und die spiegeln – zumindest auf lange Sicht – immer das wahre Bild eines Unternehmens wieder. Erfahrene Anleger wissen: Ein Chart sagt mehr als tausend Worte.
Noch aussagekräftiger sind Dividendencharts. Zumindest bei qualitativ hochwertigen Unternehmen, welche beispielsweise die oben genannten Kriterien erfüllen. Denn trotz eines kontinuierlichen Gewinnwachstums, sind auch Dividendenwachstumsaktien nicht vor den kurzfristigen Launen von Mr. Market gefeit.
Auf lange Sicht aber zeigen die meisten Dividendenwachstumsaktien, wie hier die SAP in der logarithmischen Darstellung, lupenreine LURO-Charts – also Charts von links unten nach rechts oben.
Hoch die Hände, Dividende!
Dividenden sind stabiler und vorhersehbarer als Aktienkurse und daher für viele Anleger eine ideale Einnahmequelle im Alter. Es ist leicht vorherzusagen, wie viel Ertrag ein diversifiziertes Portfolio von Dividendenwachstumsaktien im Laufe des nächsten Jahres erzielen wird. Die Aktienkurse selbst werden von der neurotischen Masse bestimmt, die ängstlich oder gierig wird. Daher stützen Dividendenwachstumsinvestoren ihre Einnahmen nicht auf den Verkauf von Aktien, da die Aktienkurse nicht vorhersagbar sind. Anleger, die ihren Ruhestand durch den Verkauf von Aktien finanzieren wollen, sind also in gewissem Maß Spekulanten.
Die Dividendenwachstum-Strategie funktioniert. Das zeigen auch wissenschaftliche Studien wie die empirische Untersuchung von Jürg Helfenberger.
Deutlich aussagekräftiger und wichtiger als statistische Backtests sind aus meiner Sicht aber die bereits beschriebenen die mentalen Vorteile der Dividendenwachstum-Strategie. Umso länger der Anlagehorizont und umso größer die Geduld des Anlegers, desto höher sind langfristig seine Renditen. Auch wenn in den letzten Jahren ein anderer Eindruck entstanden ist, so werden über die Jahrzehnte vor allem die Buy-and-Hold-Investoren mit dem Fokus auf Qualitätsaktien bessere Ergebnisse erzielen als kurzfristig orientierte Anleger. Das liegt zum einen an den niedrigeren Kosten, zum anderen daran, dass man ohnehin nicht immer den richtigen Einstiegs- und Ausstiegszeitpunkt timen kann.
Fazit
Dividendenwachstumsinvestoren betrachten Aktien in der Regel als echte Unternehmensbeteiligung. Der Teil des Gewinns, den die Unternehmen nicht sinnvoll reinvestieren können, wird in Form der Dividende an die Aktionäre ausgeschüttet. Diese Erträge sind eine „echte“ Kapitalrendite.
Spekulanten hingegen suchen nach einer Wertsteigerung der Investitionen und verspotten Dividenden als etwas Altmodisches. Aber in der Realität sind Aktienkurse nicht vorherseh-bar, da die Marktbedingungen, die Stimmung unter den Investoren und wirtschaftliche Faktoren wie die Zinssätze zu raschen Kurswechseln führen können.
Daher ist das mentale Modell des Dividendenwachstum vor allem für Privatanleger eine sinnvolle Anlagestrategie. Wichtig ist es dabei, zusätzliche Kriterien für die Aktienauswahl zu berücksichtigen. Allein die Anzahl der aufeinanderfolgenden Jahre von Dividendensteigerungen sind nicht aussagekräftig. Unternehmen sollten ihre Gewinne kontinuierlich gesteigert haben und zumindest die Chance, dieses Wachstum auch in Zukunft fortzusetzen. Auch hier ist also Nachhaltigkeit Trumpf.
Sind die oben genannten Voraussetzungen erfüllt, dann heißt es Monat für Monat: „Hoch die Hände, Dividende!“