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Vergleich ist der Dieb der Freude

Theodore Roosevelt, der 26. und zu seiner Amtseinführung jüngste Präsident der Vereinigten Staaten, schenkte uns den Satz: „Comparison is the thief of joy.“ Klingt übersetzt ins Deutsche zugegebenermaßen etwas holprig: „Vergleich ist der Dieb der Freude“. Roosevelt meinte damit, dass wir uns häufig unzulänglich finden, wenn wir uns mit anderen vergleichen. Und das erkannte der alte Theodore schon 100 Jahre vor Instagram.

Heute leben wir in einer Zeit des ständigen Vergleichens. Gier und Neid wohin man schaut. Auf Instagram sind es die neuesten Urlaubsfotos aus der Karibik, während man selbst im nasskalten Luckenwalde Wäsche faltet. Auf der Arbeit ist es der neue Kollege, der viel schneller Karriere macht und die Gehaltsleiter aufsteigt. Einfach, weil er ein Arschkriecher ist. Und in Aktiengruppen auf Facebook sind es gefühlt immer die anderen, die die neueste Hype-Aktie im Depot haben und Renditen im dreistelligen Bereich einfahren.

Die sozialen Medien suggerieren uns einen scheinbaren Rückstand. Während wir faul auf Sofa vor uns hin prokrastinieren und Netflix glotzen, werden die anderen reich – mit Dogecoin und GameStop.



Die Theorie des sozialen Vergleichs

Geben wir es doch zu. Wenn eine Kollegin vom letzten Wochenend-Trip erzählt oder ein Freund von seinem neuen Sportwagen, sind wir (manchmal) neidisch. Andersherum freuen wir uns ab und zu insgeheim bei schlechten Nachrichten. Gott sei Dank, dem anderen geht es auch scheiße. Ist doch so, oder?! (Bitte sagt nicht nein, sonst stehe ich ziemlich beschissen da).

Tatsächlich ist das wissenschaftlich belegt. Und zwar in der ‚Theorie des sozialen Vergleichs‘. Die besagt unter anderem, dass wir unsere Leistung messen, indem wir uns mit anderen vergleichen. Klar, das ist keine besonders spektakuläre Erkenntnis. Aber in der Praxis trotzdem ziemlich blöd. Denn anstatt unser Arbeitsergebnis, unseren Trainingsfortschritt oder unseren Wohlstand mit unseren Ansprüchen und Wünschen zu vergleichen, orientieren wir uns in erster Linie an anderen. Und das meist an den „Besseren“.

Wer wirklich was über sich selbst oder andere lernen möchte, sollte sich mal mit den Studien von Leon Festinger beschäftigen. Soweit ich weiß gibt es von A Theory Of Cognitive Dissonance* und When Prophecy Fails* aber leider keine deutschen Ausgaben.

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Vergleich ist der Dieb der Freude

Noch spannender als die bereits erwähnte Erkenntnis, sind allerdings die Grundannahmen Festingers. Eine davon lautet:

„Sozialer Vergleich findet dann statt, wenn ein objektiver Maßstab fehlt.“

Schalke ist nicht Man City Vergleich ist der Dieb der Freude

Die Theorie des sozialen Vergleichs unterscheidet drei Richtungen: den Horizontalvergleich, den Abwärtsvergleich und den Aufwärtsvergleich. Beim Horizontalvergleich misst man sich mit Gleichgestellten – sogenannten „Peers“. Beim Abwärtsvergleich misst man sich mit schwächeren Menschen und Gruppen. Das geschieht vor allem zur Störung oder zum Schutz des eigenen Selbstwertgefühls. Beispiel: Als Schalker sollte man sich lieber am SG Finnentrop/Bamenohl orientieren als an Manchester City. Glück auf!

Beim Aufwärtsvergleich ist es genau andersherum. Hier orientiert man sich an Menschen, die – bezogen auf das interessierende Merkmal – überlegen sind. Diese Vergleichsrichtung findet man sehr häufig auf Instagram. Dort existiert das Phänomen der „Fitspiration“ – trainierte Körper, gut gelaunte Dauerurlauber und (scheinbar) erfolgreiche Side Hustlers. Bei den Followern kann das zur Steigerung der Motivation führen. Oder eben zu einem Minderwertigkeitskomplex. So what?!



Aufwärtsvergleiche waren früher sehr hilfreich. Als Mitglieder eines anderen Stammes bessere Werkzeuge herstellten, zielgerichteter jagten oder ein Feuer machten, welches länger brannte. Aber in der heutigen Welt werden unsere prähistorischen Gene unfairen Vergleichen unterzogen. Unserem Gehirn fällt es schwer, realistische Messgrößen zu finden und anzuwenden. Außerdem finden sich in sozialen Netzwerken zu 99% Menschen, die irgendetwas besser können und genau das auf ihrem Kanal teilen. Das Gleiche gilt für Karrierenetzwerke. Oder habt ihr auf LinkedIn schon mal das Profil eures Bäckereifachverkäufers gesehen? Auf XING die Sachbearbeiterin des lokalen Bürgerbüros? Obwohl das ehrenwehrte Berufe sind, kommt es wohl eher selten vor.

Wenn Vergleich ungesund ist

Wir können unser Unterbewusstsein nicht steuern. Genauso wie wir unseren Augen nicht sagen können, dass sie aufhören sollen zu sehen. Oder unseren Ohren, sie sollen nicht mehr hören. Gleichermaßen können wir unser Unterbewusstsein nicht davon abhalten, uns mit anderen zu vergleichen. Und so rattert unser Frontallappen den ganzen Tag vor sich hin wie der Duracell-Hase. Vor allem Menschen mit einem niedrigen Selbstwertgefühl sind anfällig für unfaire Vergleiche. Jene, die das eigene Selbstwertfühl weiter senken, da die Follower ihre Schönheit, ihren Reichtum, ihre Intelligenz oder ihr soziales Leben mit anderen vergleichen. Vergleich ist der Dieb der Freude

In Barking Up the Wrong Tree beschreibt der Autor Eric Barker warum Vergleiche oft so problematisch sind.

Think you’re good at something? There’s someone on the Internet who is better, works less, and is happier. They have nice teeth too. For most of human existence when we looked around us there were one or two hundred people in our tribe and we could be the best at something. We could stand out and be special and valuable. Now our context is a global tribe of seven-plus billion. There’s always someone better to compare yourself to, and the media is always reporting on these people, which raises the standards just when you think you may be close to reaching them.

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Vergleich ist der Dieb der Freude

Wenn Mutti wieder postet

In einer medienfreien Welt ohne Schönheitsbilder und Urlaubsbilder wären wir wahrscheinlich glücklicher. Vielleicht auch, wenn niemand wüsste, wie andere finanziell und sozial aufgestellt sind.

Bei Aufwärtsvergleichen gehen wir davon aus, dass die Vergleichsperson zufriedener und besser ist als wir. Allerdings stimmt das oft nicht. Vor einigen Wochen berichteten Freunde über eine Influencerin aus ihrer Nachbarschaft. So eine, die auf Instagram ihre Kinder zur Schau stellt, minutenlange Videos über ihren blauen Zeh macht und aktuelle Boulevardnachrichten kommentiert. (Keine Ahnung, warum man sich so was anschaut.) Naja, auf jeden Fall sah das reale Leben dann doch etwas anders aus. Ständig der Druck neue Posts zu veröffentlichen. Immer auf der Suche nach der nächsten Story, dem perfekten Hintergrund. Das Smartphone als ständiges Familienmitglied.

Wir leben in einer Welt wo viele Menschen große Teile des Tages auf Bildschirme starren. Dabei konsumieren wir selten Inhalte, die uns glücklich machen. Oft beziehen wir unser Leben auf ein Vorbild. Einige Konsumenten lassen sich davon motivieren, viele deprimieren. Ohne es selbst zu merken.



Das traurige Vergleichsspiel macht matschig in der Birne

Vielleicht sollten wir unser Unterbewusstsein darauf trainieren mehr Abwärtsvergleiche zu machen. Oder aber unser Leben mit der Vergangenheit zu vergleichen. Oder – noch besser – mit unseren eigenen Zielen und Ansprüchen.

Insgesamt geht es uns heutzutage ganz gut. Also nicht jeder und jedem, sondern uns als Gesellschaft. Es gibt keine Sklaverei, keine Kinderarbeit (zumindest in Europa). Wir haben erkannt das Rauchen krank macht. Und wer nicht ganz matschig in der Birne ist, hat auch verstanden, dass wir endlich mal was für das Klima tun müssen.

Vielleicht sprechen wir in zehn, zwanzig Jahren über die Droge Social Media. Wenn das Konzept von Zuckerbergs ‘Meta’ wahr wird und wir uns dann primär in einem Paralleluniversum der virtuellen Realität bewegen. Zukünftige Generationen könnten schockiert sein, dass wir unseren Kindern erlaubten, ständig online zu sein. Wissen wir doch schon heute, dass es potenziell irreversible Folgen für ihre Persönlichkeit haben könnte.

Die Altersgrenze für die Nutzung von Facebook und Instagram liegt übrigens bei 13 Jahren. Es gibt allerdings weder eine Einverständnisprüfung der Eltern, noch eine Kontrolle seitens des Social-Media-Riesen. Früher waren es die mächtigen Tabak-Konzern, die gezielt Falschmeldungen in die Welt setzten. Später Unternehmen aus der Öl- und Kohleindustrie. Heute ist es Big Tech. Wenngleich etwas subtiler.

Du bist nicht MacGyer!

Allen, die jetzt noch mitlesen, sollte die Lösung doch klar sein: Es macht keinen Sinn unser Leben mit anderen zu vergleichen. Wir sollten dankbar sein, für das was wir haben. Aber leider ist das keine echte Alternative. Wir können die Funktionsweise unseres Gehirns nicht ändern. Außer vielleicht MacGyver.

Die zweitbeste Lösung lautet also: Abstinenz. So wie bei anderen Drogen: Zucker, Tabak, Alkohol. Wenn du also ein Facebook- oder Instagram-Süchtiger bist, solltest du darüber nachdenken dein Konto zu löschen. Chillt mal, Leute!

Ich selbst bin mittlerweile sehr selten auf Instagram. Es interessiert mich einfach nicht. Aber vielleicht bin ich auch zu alt für diesen Scheiß.



Fühlt euch umärmelt!

Theodore Roosevelt hat bereits im späten 19. Jahrhundert die Beobachtung gemacht, dass Vergleiche der Dieb der Freude sind. Und dabei gab es damals nur einen Bruchteil der Medien von heute.

Wir sollten uns der Informationen bewusst sein, die wir konsumieren. Genauso, wie wir auf die Qualität und Herkunft von Lebensmitteln achten. Die Informationen sollten möglichst hochwertig sein. Gerne auch unterhaltsam. Und uns danach ein gutes, warmes Gefühl geben. Wir sollten uns nicht gedemütigt fühlen, sondern umärmelt.

Hoffentlich so, wie nach diesem Beitrag. Vergleich ist der Dieb der Freude

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8 Gedanken zu „Vergleich ist der Dieb der Freude“

  1. Hallo Felix,
    wieder ein 100%-Treffer!
    Vergleiche dich mit Vorbildern, denen du nacheiferst, was Wissen oder Fähigkeiten angeht, und du wirst wachsen. Vergleiche dich mit anderen, wenn es um äußerliche Dinge geht, und du wirst verkümmern.
    Vergleiche, wenn sie durch Social Media getriggert werden, s o l l e n unzufrieden und unglücklich machen. Es ist Teil ihres Geschäftsmodells. Darum ist deine Einreihung von Social Media in die Liste der Suchtmittel nur zu treffend.
    Außerdem befeuern sie unsere Fake-Culture: Man mache einmal den Reality-Check von XING vs. Realität…
    Es grüßt
    Mirko

    1. Danke Mirko!
      Den LinkedIn/XING vs. Reality-Vergleich finde ich auch lustig. Wusste bis vor kurzem gar nicht wie viele “Head of …” es gibt. Ich bin nur Head of Finanzblogroll. Immerhin…

      Viele Grüße
      Felix

  2. Lieber Felix,
    Keiner gibt es gerne zu, doch hin und wieder überkommt jeden von uns der Neid. Leider bringt uns diese Emotion überhaupt nicht weiter.
    Bei Rolf Dobelli habe ich 4 Tipps gefunden, wie man mit seinen Neidgefühle besser umgeht:
    1. Vergleichen strikt aus dem Weg gehen und sich z. B. aus den sozialen Medien zurückziehen.
    2. Sich bewusst machen, dass die Dinge, um die man jemand anderen beneidet (z. B. Auto, Einkommen, Status), weniger wichtig sind, als man denkt.
    3. Sich die schlechten Aspekte des Lebens des Beneideten vorstellen.
    4. Bei Erfolg selbst bescheiden bleiben und so andere vor der Neidkrankheit bewahren.
    (Mein ganzer Blogartikel dazu: https://frei-mutig.de/kunst-des-guten-lebens/)
    Herzliche Grüße
    Rebecca

  3. Ich beobachte im Freundeskreis sehr häufig, dass vermeintliche Peer-Vergleiche angestellt werden, die aber eigentlich Aufwärtsvergleiche sind. Ich persönlich versuche es eher andersherum und finde das tatsächlich sehr erdend, mit statistischen Durchschnittswerten für mein Alter, Bildungshintergrund, etc. zu vergleichen. Natürlich bin ich nicht in jeder Kategorie top (z.B. Fitness), aber das wäre ja auch wieder unrealistisch 🙂
    Viele Grüße
    Jenni

  4. Danke, Felix!

    Toller Beitrag und sehr schön getroffen…ich hatte mal angefangen viel auf Facebook, Instagram, Twitter zu machen und zu lesen. Aber was auch immer ich gemacht habe, ich war immer unzufrieden (verglichen mit anderen).

    Mittlerweile nutze ich Social Media nur noch selten, um Leute zu kontaktieren bei denen ich keine Mail oder Telefonnummer habe. That’s it!

    Und ich kann nur bestätigen, es tut gut. Ich fühle mich besser mit dem was ich mache und erreiche – und die Leute direkt um mich rum finden, dass ich in ein paar Bereichen ein Vorbild sein könnte. Sowie ich umgekehrt mir an ein paar Leuten im nahen Umkreis ein Vorbild nehme.

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